analogsoul liest:


matthias hochs meist menschenleere fotografien von angeschnittenen fassaden, kreuzungen und sonstigen gebäudedetails haben auf mich eine faszinierende wirkung: sie erzeugen ein gefühl von sehnsucht und melancholischem verliebtsein, das einer surrealen einsamkeit und leere ausgeliefert ist.
will sagen: wer matthias hoch auf seine veröffentlichungen pappt (was bei dessen marktpreisen nicht ohne ist und für normalsterbliche nur über beziehungen geht) hat bei mir einen stein im brett.

den hatte der leipziger lyriker thomas kunst bei mir aber auch schon, bevor er das cover seines heute erscheinendes buch „strandkörbe ohne venedig“ mit einem ausschnitt aus meinem lieblingsbild von matthias hoch versah. und ja: thomas kennt matthias hoch tatsächlich persönlich und kommt so in den genuss einer echten ausnahmregelung was fotografien auf buchdeckeln angeht. die beiden haben sich durch ein stipendiumsprogramm in rom kennengelernt: während die streber champagner schlürfen, treffen sich die coolen leute halt auf der veranda. da gibt’s noch geschichten. . .

aber das müsst ihr thomas alles selbst fragen, was ihr morgen ab 19.30 uhr im „gohliser schlösschen“ (vorsicht: link startet ungefragt klassische musik) in leipzig tun könnt. dort liest thomas bei der herbstpräsentation des plöttner verlags, bei dem der roman „strandkörbe ohne venedig“ nun erscheint.
aufmerksame leser werden sich gerade fragen, wie ein lyriker einen roman schreibt. vor allem musikalisch:

„…Die größten Chancen, eine dieser Frauen
etwas länger am Telephon zu halten, rechnete
er sich aus, wenn gerade dieser frühvollendete,
im Mississippi ertrunkene Sänger und Gitarrist
oder diese eine schottische Band aus allen
Ecken seines Zimmers über sie hereinbrachen.
Er wollte einfach nicht jede sehnsüchtig drängende
Zurückhaltung immer nur den Streichern überlassen.
Mahler und Barber wären in dieser Beziehung natürlich
immer eine sichere Bank gewesen. Hören, abstürzen
und vergessen.
Aber Claasen sprach gerade nicht und hatte
auf seiner Cassette auch kein Adagietto oder
ein Adagio. Es musste unbedingt Popmusik
sein, die diese Frauen dazu veranlasste, der
unmittelbaren, seelischen Beschränktheit
seines Zimmers am Telephon folgen zu wollen…“

in thomas kunst büchern lohnt es sich, zuerst die letzten seiten aufzuschlagen, und zu schauen, welcher soundtrack den zeilen zugrunde liegt: thomas verfügt über eine beachtliche und gut sortierte sammlung an tonträgern – inklusive zig selbstzusammengestellter tapesampler.

für den roman um den verlagsangestellten bengt claasen mit der telefoniersucht (s.o.) ist der soundtrack allerdings handgemacht: ob alleine als „mitleid in toronto“, mit frieda und jörn als „frieda and the fools“ oder zusammen mit fabian von analogsoul als „loggia“ (mein favorit) –  musik selber machen spielt in thomas leben mindestens eine so große rolle wie hören. warum und welchen einfluss das auf sein schreiben hat, erzählte er vor nicht allzu langer zeit im radio. bevor ich euch mit dem schnipsel ins wochenende entlasse nochmal die kurzzusammenfassung: buch kaufen, morgen zur lesung gehen. ok?!




Interviewausschnitt: Thomas Kunst erzählt bei radio mephisto welche Rolle Musik für ihn und sein Schreiben spielt.



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