wort // DIE GROSSEN UND DER WANDEL


Irgendwie ist es ja ganz tröstlich: Der Wandel, der die Musikindustrie erfasst, macht keinen Unterschied zwischen Kleinen und Großen. Mit den neuen Kanälen, der Differenzierung des Konsums und den sich verändernden Hörgewohnheiten müssen alle umgehen. Wie sie das tun, hängt dann aber natürlich damit zusammen, welche Kapitalausstattung Labels mitbringen. Und dafür gab es in den vergangenen Tagen zwei schöne Beispiele.

Zunächst einmal JAZZ (*Handbewegung*). Abseits aller musikalischen Fragen ist Jazz eine ziemlich einmalige Geschichte, weil es insbesondere in Deutschland seit den 1950er Jahren eine unvergleichbare Institutionalisierung als Hochkulturform erlebt hat: Hochschulen, Studiengänge, Preise, Festivals, Clubs, … Als Beispiel der Durchdringung der einstigen Außenseitermusik Jazz in deutsche Alltage sei hier nur genannt, dass „die Perle am Rhein“, Leverkusen, nach wie vor sehr stolz auf seine allsommerlichen Jazztage ist.

Das soll bitte nicht missverstanden werden: Raul Midon ist schon ein geiler Typ und warum soll der nicht auch in Leverkusen spielen. Diese Vorbemerkungen sollen nur zeigen, dass Jazz als sozio-ökonomisches Feld bislang sehr gut als Nische lebte. Als etablierte und öffentlich gut unterstützte Nische. Wir neiden dass den Jazzern nicht und freuen uns, dass sie so viele tolle Musiker ausbilden, die dann bei uns in Bands spielen – Aber es ist halt doch eine sehr selbstreferentielle Welt. Und in die ist nun auch das sogenannte Internet eingebrochen.

Natürlich noch nicht in Deutschland, aber wohl in den USA, wo – dem Jazz- und Klassikmagazin „Salon“ in einem SZ-Artikel zu folge – die Folgen des Streamings fur Musiker und Labels auch in diesem Segment spürbar werden. Und die Kollegen aus den USA kommen auf eine ähnliche Schlussfolgerung wie wir: Der Streamingmarkt und die Streamingvergütungen werden derzeit zugunsten der Majors gestaltet und insbesondere Indies fallen da hinten ab.

Man fragt sich ja manchmal, wie sie das wohl so machen. Ob bei Spotify nicht auch graue Herren mit spitzen Bleistiften sitzen, für die einzig das Klicken der Computertasten Musik ist. Es ist weder so prosaisch-dystopisch noch irgendwie geheimnissvoll. Sie drohen einfach mit Klagen und erpressen sich so Beteiligungen: Neumusik macht auf einen interessanten Passus im New York Times Artikel zur Werbung auf Soundcloud aufmerksam:

As part of their licensing talks, major labels and some independents are negotiating with SoundCloud for equity stakes in the company; in exchange, the labels will agree not to sue SoundCloud over past copyright infringements, according to numerous people involved in the talks.

Die Musikindustrie verzichtet generös auf zukünftige Klagen wegen vergangener Nutzungsrechteverstöße, wenn sie in Anteilen am neuen Pro SoundCloud beteiligt wird. SoundCloud nun also auch bald wie Youtube. Zurück in die Zukunft sozusagen. So etwas wie mit der MP3 und den Tauschbörsen soll den Großen offenbar nicht mehr passieren. Diesmal ganz von Anfang an am Drücker. Und wenn die Anbieter, die Plattform, die Hörerschaft sich wehrt, dann läufts halt wie in Kir Royal: „Ich kauf Dich einfach (…) Ich scheiß Dich sowas von zu mit meinem Geld.“



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