wort // CA$H STREAM


Bild: Headphones // Hohum // CC BY SA 3.0

 
Dass Musik, Kunst, Literatur und Filme schmückendes Beiwerk der Konsumgesellschaft sind, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Tatsächlich handelt es sich bei der so genannten Content-Industrie (also der Verwertung von medialen Produkten und deren Metadaten) um einen Wirtschaftszweig, der je nach Zählweise zwischen 2,6 und 3 % des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Klingt wenig? Heißt aber Platz zwei oder drei der stärksten Industriezweige, nur die Autoindustrie bringt noch mehr ein.

Das muss man sich immer mal bewusst machen, wenn man davon liest, wie die Zukunft von Künstlerinnen und Künstlern durch Streams bedroht sei. Nicht selten sind diejenigen, die diese Glocke am lautesten läuten gar nicht so sehr am Einkommen der Künstler interessiert, sondern ihrem eigenen. Insbesondere Streaming geriet in den vergangenen Jahren in Verruf: Die beinahe kostenlose Art und Weise, wie Spotify Musik zur Verfügung stellt, könne Künstler gar nicht fair vergüten, so der Tenor. Dieser Tage ist öffentlich geworden, dass durch Spotify eine Gruppe sehr wohl gut verdient hat und verdient, nämlich die großen Player der Musikindustrie.

Die Idee von Online-Streams ist tatsächlich „disruptive“ wie man so (un)schön sagt: Die „flüssige“ Verfügbarkeit beinahe jeder beliebigen Musik im Handumdrehen, ohne etwas kaufen oder herunterladen zu müssen ist ziemlich exakt die Entsprechung früherer Visionen der Zukunft von digitaler Musik: Überall, jederzeit, frei zirkulierend. Allerdings darf man sich nicht der Idee hingeben, dass damit auch eine gewissermaßen Musik-Sozialistische Utopie von gleicher Musik und gleichen Musikfreuden für alle Einzug gehalten hätte. Eine der Voraussetzungen für einen solchen Service ist ja, dass man an die großen Kataloge der Content-Industrie herankommt, um seinen Kunden auch Taylor Swift & Co. anbieten zu können.

Wir hatten dazu vergangenes Jahr schon einmal kurz geschrieben und festgestellt, dass große Verlage und Labels bei Spotify mehr erhalten als unabhängige und kleinere Künstler. Online-Streaming bricht die Strukturen der Musikindustrie nicht auf, es reproduziert sie. In welchem Maß war bislang eher unklar, nun ist ein Vertrag zwischen Sony und Spotify aufgetaucht, der klar macht, WIE sehr das Geschäftsmodell der Streamer den großen Label- und Verlagskonzernen in die Karten spielt.

Ohne den Artikel in Gänze wiederzugeben, klappt einem die Kinnlade doch recht schwungvoll Richtung Erdmittelpunkt, wenn man sich die Details auf der (nunmehr freigelegten) Zunge zergehen lässt: Spotify stimmte unter anderem zu, über die drei Jahre Vertragslaufzeit insgesamt 42.5 Millionen US Dollar in vierteljährlichen Vorauszahlungen an Sony zu machen – unabhängig von den gespielten Streams, als Vergütung für die Nutzungsrechte des Katalogs. Dieses Geld ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nie mit den Künstlern geteilt worden, sondern verblieb bei Sony. Außerdem hat sich Sony das Recht einräumen lassen, immer mindestens genau so viel Anteil am Spotify-Umsatz zu erhalten, wie der Mitbewerber mit den höchsten Ausschüttungen [UPDATE: Wir haben eine Klausel im text falsch interpretiert, sie garantiert nicht so hohe Ausschüttungen wie Mitbewerber, sondern koppelt die Spotify-Einnahmen an Einnahmen und Marktanteile von CD-Verkäufen & Downloads – Für jede verkaufte CD hat Sony also mehr Geld auch von Spotify bekommen.] Außerdem im Programm: Kostenlose Werbeplätze, die Sony dann weiterverkauft hat, etc.

Wo ist hier das Problem, die machen doch einfach Business? Ja, klar. Aber man sieht an diesen Zahlen, wie ein Streaminganbieter ausgequetscht wird, und die Verlagskonzerne unabhängig der Stream-Klickzahlen direkt am eigenen Umsatz beteiligen muss. Da kann man über die öffentlich kolportierten Zahlen für zu geringe Streaming-Erlöse nur noch bitter lachen. Klar ist es zu wenig, von 0,8 Cent pro Stream zu leben – Aber wenn man das Kopfkissen mit 42.5 Millionen Dollar Vorauszahlungen voll hat, könnte man einige Künstler damit ganz gut ernähren. Die wiederrum erhalten je nach Vertrag nur etwa 25 % der 0,8 Cent, während die drei Großen (Warner, Sony, Universal) in den vergangenen Jahren den Großteil der eine Milliarde Dollar, die Spotify bislang ausgeschüttet hat (ohne je operativen Gewinn zu machen) in ihre Taschen umgeleitet haben haben.

But what the contract doesn’t stipulate is what Sony Music can and will do with the advance money. Does it go into a pot to be divided between Sony Music’s artists, or does the label keep it to itself? According to a music industry source, labels routinely keep advances for themselves. – THE VERGE

Es ist für uns als kleines Licht im Musikbiz ziemlich ernüchternd zu sehen, dass die Vorteile digitaler Ausspielwege so direkt monopolisiert werden. Offenbar hat die Musik-Industrie aus Napster doch mehr gelernt, als die Film-Industrie aus kino.to. Anbieter wie Spotify, die ihr digitales Geschäftsmodell auf einen weltweiten Markt skalieren wollen und müssen, haben übrigens gar keine Wahl, als mit den Content-Konzernen ins Bett zu steigen. Wenn sie es nicht freiwiliig machen, wird halt geklagt. Urheberrechtsgrauzonen und Gerichte, die diese mit Milliardenbeträgen bestrafen würden, finden sich leichterdings. Ein trauriges Beispiel auf diesem Weg ist auch Soundcloud. Hier kann man gerade sehr gut beobachten, wie sich die drei Großen Zugang zum Content sichern, und DJ-Mixe entfernen, die nicht-kostenpflichtig lizensierte Stücke der Riesenverlage beinhalten. Auch der Umzug zu Mixcloud, die damit werben, so etwas nicht zu tun, wird den Zugriff der Großen wohl nur verzögern, nicht verhindern.



c 2007-2014 Analogsoul - Label, Basis, Meer