tipp // ZEITSPRUENGE


ursula cain ist 83 jahre alt. und dennoch ist es keine sensation, wenn sie morgen auf der bühne stehen wird.
die gebürtige dresdnerin war in den 1960er jahren ein gefeierter ddr-ballet-star, gilt heute noch als inbegriff der klassisch lyrischen ballerina. wie so viele tänzer_innen wechselte sie mit zunehmendem alter und körperlichen problem zur choreografie und tanzpädagogik – bis die leipziger choreographin heike hennig sie und drei andere ehemalige tänzer_innen 2005 wieder dorthin holte, wo sie hingehören: auf die bühne.

die projekte „zeit – tanzen seit 1927“ (2005) und das intergenerationale stück „ZeitSprünge“ (2007) haben mit ihrem ungewöhnlichen ansatz – „rentner“ auf die tanzbühne zurückzuholen – viel aufmerksamkeit erregt. in einer kunstform, in der die künstler mit 30 jahren als alt gelten und der körperliche verschleiß sehr hoch ist, hatten es zuvor nur wenige gewagt, die poesie eines gealterten körpers zu thematisieren.

in “zeit – tanzen seit 1927” erzählten und tanzten ursula cain,  christa franze (1927-2009), horst dittmann (* 1943) und siegfried pröhlß (* 1934) ihr leben. die bewegungen, die sich in ihre körper eingebrannt haben, die brüche in ihren biographien, ihre liebe zum tanz. neben den zahlreichen gastspielen wurde die produktion auch durch den dokumentarfilm „tanz mit der zeit“ von trevor peters bekannt:

httpv://www.youtube.com/watch?v=lnzUh5L3zGs

morgen, zum zehnjährigen jubiläum von heike hennigs leipziger kultur think tank „heike hennig & co“ wird das generationenübergreifende stück „ZeitSprünge“ wohl zum letzten mal überhaupt aufgeführt. darin begegnen die nach christa franzes tod verbliebenen protagonisten aus „tanz mit der zeit“ jungen kolleg_innen und unterschiedlichen zugänge zum tanz, wie ausdruckstanz, das klassische repertoire, kontakt-improvisation oder breakdance. junge und alte tänzer im dialog, im gleichschritt und auch im kontrast:

httpv://www.youtube.com/watch?v=fLjFirFPEnY

für gerade einmal 10 euro an der abendkasse gibt es diese außergewöhnliche arbeit morgen im kellertheater der oper leipzig zu sehen. es ist die letzte gelegenheit, ein geglücktes wagnis zu bewundern: die künstlerische bearbeitung des gesellschaftlich weitgehend ausgeblendeten themas alter, die glücklicherweise gänzlich ohne moralischen überbau auskommt und von der überzeugungskraft ihrer protagonisten lebt: sei es durch ein pas-de-deux einer 83-jährigen mit einer jungen tänzerin oder der breakdance-bewegungen des ehemaligen paluca-schülers siegfried pröhlß.

 

23.10.2010, kellertheater der oper leipzig
„10 jahre heike hennig&co“
abendkasse: 10 euro

18 uhr – „tanz mit der zeit“, dokumentarfilm von trevor peters

20 uhr – „ZeitSprünge“, generationentanztheater von heike hennig&co.

21 uhr – publikumsgespräch mit kulturwissenschaftler sebastian göscchel und heike hennig



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