musik und dann? // INDIE MILLIONAIRE


tja leute, klar sind wir auch lieber euer freundliches label mit der guten musik, aber manchmal muss man auch ein bisschen den feuillotonisten raushängen lassen und fragen: „musik, und dann?“. gerade wir – vor vier jahren profis in sachen hoffnung und amateure in sachen musikgeschäft – sind ja in einem zwitterverhältnis zu musik als ware. wir machen musik, weil wir das unbedingt wollen und im künstlerischen sinne auch müssen. das professionelle musikgeschäft ordnet uns deswegen als „indie“ ein – also leute, die musik nicht zuerst marktförmig produzieren. gleichzeitig wollen wir auch nicht nur dafür leben, sondern auch ein bisschen davon.

was heißt das eigentlich dann praktisch? also nicht das ideen-geschwafel, dass man darüber redet, wieso man unbedingt sein ding macht, und was man alles außer geld zurück bekommt und worum es einem mit seiner musik geht. sondern mal die *kassengeräusch*-seite. welchen wert hat musik? oder besser: welchen wert soll sie haben? sollen unabhängige musiker  von ihrem stuff leben? was ist eigentlich mit den ganzen anderen leuten: veranstaltern, plattenladenbesitzern, technikern? solche fragen stellen wir uns diese woche.

auslöser für dieses kleine themen-cluster waren vor allem zwei dinge: die anhaltende diskussion im jazzbereich (um die es morgen gehen soll) und eine reihe von beiträgen von michael bartlewski für den br-jugendsender on3 „kann man von musik noch leben?“

der hat die vermutlich bekannteste band, BODI BILL, eines bekannteten deutschen indie labels, SINNBUS, gerade aufs gesicht zu gefragt, was von ihrer musik im portemonaite übrig bleibt. und wir finden gut, dass die drei und peter von sinnbus sich haben in die karten schauen lassen, weil das ja auch immer unsere frage ist: wie machen arbeiten eigentlich andere bands und labels, die auch keine dicken budgets haben?

die antwort zeigt, wie knapp im indie-bereich kalkulkiert wird und das ein relativ großer erfolg, wie der von BODI BILL, nur einen kleinen gewinn abwirft. während das feature sich auf die preise einzelner verkaufseinheiten konzentriert und damit eigentlich dem hörer die frage stellt, was ihm musik wert sein sollte, ist für uns der blick auf das label und die band interessanter. 30.000 euro haben sinnbus für die promo und die produktion des releases bezahlt, bei 3700 verkauften cds – gemessen z.b. an aussagen des kollegen von tapete-records (1000 einheiten sind für einen newcomer ein erfolg) schon sehr solide – ist damit gerade mal die hälfte wieder reingekommen. zwar sind es insgesamt durch vinyl und downloads noch einmal 1.300 einheiten mehr, aber diese summe hat vermutlich gerade gereicht, den release zu finanzieren. du brauchts also ordentlich geld, um einen erfolg möglich zu machen, bist dann auch noch auf gute kontakte und entgegenkommen angewiesen (studio für lau, low-budget-video-mit-high-quality) und kriegst diese summe am ende nur wieder rein, wenn das ganze ding ein erfolg ist. nennenswerten gewinn machst du mit tonträgerverkauf als erfolgreicher deutscher indiekünstler nicht.

lizenzgebühren, merchandise und live-einnahmen [und die GEMA, dazu auch die woche mehr!]  müssen die musik kofinanzieren, was bei größeren acts auch gut klappt. die generation download-kids hat audiolith zum beispiel mit t-shirt-käufen den umsatz gebracht. die musiker selbst können sich natürlich freuen, wenn sie mit „what!“ allein durch tonträgerverkauf knapp 20.000 euro verdient haben – dafür haben die aber auch drei jahre lang songs geschrieben und geprobt und equipement gekauft und in den ersten jahren ihrer karriere auf gagen verzichtet. auch für andere bands (und deren crews!) steht die option „europatour bequem im nightliner“ nur gegen den sicheren einnahmeverlust. man leistet sich den bus, der einen wochenlang durch die gegend kutschiert vom eigenen verdienst der tour. produktionsmittel (körperliche fitness, ausgeruhtheit) werden durch den gewinn bezahlt. man spielt dann also hauptsächlich, um zu spielen, bekannt zu werden, etc.

warum reite ich auf diesem beispiel so herum? weil es symptomatisch ist für eine bestimmte haltung, zu der diese situation für unabhängige bands führt: der wunsch bekannter zu werden und auch kommerziell erfolgreich zu sein führt – qualität vorausgesetzt – immer eine weitere stufe hinauf, was umsätze, reichweite und qualität des produkts „musik“ (bühnenshow, videos, …) betrifft. diese stufen werden aber immer mit dem versprechen erklommen, auf der nächsten stufe für die eigenen (finanziellen) entbehrungen belohnt zu werden. es wird immer mehr, komplexere und durchaus härtere arbeit, und das gewinnversprechen rückt dennoch beständig wieder eine stufe höher.

und während dieses prozesses wird man – wenn man die zügel selbst in der hand behalten möchte – eben auch zum unternehmer, der bei einer tour nicht nur seine eigene performance absichern muss, sondern auch für licht- und tonmenschen, die die band seit jahren häufig unentgeldlich begleitet haben, verantwortlich ist. während rio reiser ein schönes kampflieder gegen die berufsarbeit sang, sind unabhängige musiker ihre eigenen sklavenhändler.

so, das ist also der konflikt, indem man steckt, wenn man musik zunächst unabhängig von verwertungslogik machen will, und damit trotzdem seinen lebensunterhalt finanzieren möchte. wie genau das vielleicht anders gehen müsste, oder ob das überhaupt geht, oder ob das überhaupt schlimm ist, wollen wir uns die nächsten tage immer mal anschauen. wir freuen uns übrigens, wenn ihr hier ein bissl mitdiskutiert.



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