meta // GEMA REFORM


dr. motte geht steil beim djmeeting2012 in dortmund, photo (c) virtualnights.com

vor sechs wochen schrieb uns lars von der visionbakery aufgeschreckt von den beginennden diskussionen um die GEMA reform eine mail mit der bitte um eine einschätzung:

macht das nun sinn für die kleinkulturszene wie euer label, eure veranstaltungen oder auch kleine festivals oder veranstatlungsorten wie die kub, westwerk, ilse, conne island etc.?“ – ein bisschen geklicke später war klar, wie die antwort lautet: nein!

was sich konkret ändern soll ist die tarifstruktur: bislang gibt es elf verscheidene tarife für veranstaltungen auf denen musik gespielt wird, die live-zumsetzung aber „nicht im vordergrund steht“ (!) (z.b. bälle, diskotheken, nutzung von tonträgern zur beschallung von geschäfts- und verkaufsräumen, etc.) – und die werden alle zu zwei tarifen zusammen gefasst, wobei die gebühren vereinheitlicht werden, und viele sonderregeln wegfallen.

das problem in der nummer haben vor allem clubs, also läden die musik hauptsächlich ‚abspielen‘. die müssen steigerungen von teilweise 600 % (siehe unten) und mehr hinnehmen. obwohl also der tarif, der die expliziten live-konzerte betrifft (tarif U-K) von der änderung nicht direkt betroffen ist, bedeutet das auch für anlogsoul, unsere musiker und viele unserer partner einen herben einschnitt.

clubs sind keine seelenlosen hedonistischen tanztempel sondern orte lebendiger musikkultur – wie z.b. die freitagsreihe der tille eindrucksvoll beweist. das publikum – und die musiker – lassen sich besonders im innovativen und unabhängigen bereich der populärmusik nicht mehr in so feste raster pressen, wie es der gema-schlüssel suggeriert: heute abend zum beispiel spielen drei künstler in der tille, die von akustisch verstärkter musik, live elektronisch unterstützer musik und beats mit samples alles abdecken – wie soll das einheitlich abgerechnet werden?

die folgen für die clubs wären extrem, wie ein von der GROOVE erhobenes bild (danke friedo) zeigt:

Steffen Kache (Distillery, Leipzig)

„Für uns bedeuten die neuen GEMA-Tarife überschlagen, dass sich unsere jährlichen Zahlungen von etwa 7.000 auf 87.000 Euro erhöhen. Um am Ende über den Eintritt den selben Ertrag zu erzielen, müssten wir diesen von aktuell etwa 9 auf 14 Euro erhöhen. Das ist hier im Osten niemals umsetzbar. Über die Einnahmen an der Bar kann man die höheren Kosten auch nicht kompensieren. Dort fallen zwar keine GEMA-Gebühren an, der Wareneinsatz und der höhere Umsatzsteuersatz für Getränke heben diese Ersparnis aber wieder auf. Wir haben also als Club keinerlei Schlupflöcher. Letztendlich würden die neuen Gebühren dazu führen, dass wir schließen müssen. Denn die 80.000 Euro Mehrkosten sind für uns nicht zu erwirtschaften. Eine Eintrittspreiserhöhung würde dazu führen, dass weniger Gäste kommen, einfach weil die sich das nicht mehr so oft leisten können.“

bislang haben schon fast 100.000 menschen deswegen eine e-petition gegen die neue gema-tarifstruktur gezeichnet. das allein hilft zwar nicht – die petition muss noch beim petitionsausschuss des bundestages eingereicht werden & die gema ist als wirtschaftlicher verein dem gesetzgeber nicht direkt unterstellt – aber ist schon ein wichtiges zeichen. so wie wir uns in vielen gesellschaftsbereichen (z.b. energie, ernährung, finanzwirtschaft) derzeit fragen sollten, in was für einer gesellschaft wir eigentlich leben wollen, steht das auch für scheinbar ‚weiche‘ themen wie populärkultur und musik an.

es lohnt sich zu googlen, sich auszutauschen & aufmerksam zu sein. und manchmal hilft es auch, etwas am diskussions-mainstream vorbei plakativ und laut zu sein – so wie dr. motte bei obiger veranstaltung:

(danke delhia!)



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