review // KRS-One


Bild: KRS-One im Conne Island / Thomas Pätz / Copyright

 
„Rap is something we do. Hip Hop is something we live.“ steht auf dem Banner, das einer Überschrift für den Abend gleich hinter KRS-One auf der Bühne im Conne Island hängt. Die Raplegende aus der Bronx ist der Headliner beim Leipziger All 4 Hip Hop Jam 2014.

Einem Festival, das Hip Hop-Kultur lebt: In Workshops werden die vier Elemente Graffiti, Rap, DJ-ing und Breakdance nicht vorgeführt, sondern weitergegeben. Klar wird auch fleißig die Brust rausgestreckt, aber neben sommerlichem Imponiergehabe geht es hier doch den meisten um die Sache.

Welche Sache?

Das fragt KRS One auch das Publikum: „Real Hip Hop is…?“ um bei der Antwort der Crowd, „Over here!“, gleich mal einzuhaken und den Gig von einer Rap-Performance in eine Performance über Rap zu verwandeln.

Erste Lektion: Kenne Deine Lehrer! In einem energiegeladenen „Demo“ pumpt KRS-One die Hooklines seiner bekanntesten Tracks ins Mic. Selbstherrlich? Nein, er strickt über den Abend einen ganzen Zeitstrahl aus DJs, Acts und Tracks, die verknüpft mit den Jahreszahlen ihrer Veröffentlichung eine gerappte Geschichtsschreibung des Hip Hop werden.

Aber KRS-One bleibt nicht bei der Beschwörung der Geister stehen, der Spruch an der Wand hinter ihm ist keine Folklore. Es geht ihm nicht um Nostalgie, ganz im Gegenteil. Er hat eine Botschaft.

Zweite Lektion: Sei kein Konsument. Auch wenn die Line „Fuck MTV“ im Jahr 2014 angesichts deren Musik-Anteil im Programm schon irgendwie überholt klingt, ist das die Stoßrichtung: Echter Hip Hop ist keine konsumierbarer Facette von Mainstream. Das birgt natürlich Spannungen. Immerhin verdient der Mann auch durch Konsumenten sein Geld damit und nicht wenige Menschen im Publikum tragen durchaus konsumierbare Facetten der Hip Hop-Kultur an ihrem Körper.

Solche Konflikte löst der 48-Jährige ganz im Sinne des All 4 Hip Hop Jams: Hip Hop-Kultur leben. KRS-One lässt seinen DJ immer wieder den Beat abwürgen, um zu freestylen, zu dichten, zu predigen, mit dem Publikum zu spielen. Er performt kein durchgebautes Set, hat keinen Backup-Rapper, der seine Lines doublet. Songs, also dreieinhalb Minuten lange, massenmarkttaugliche Produkte finden sich in seinem Auftritt nicht. Zwischendurch werden spontan B-Boys auf die Bühne geholt. Das ist ein echter Jam. Keine eingekaufte, gelangweilt vorgetragene Legenden-Performance auf fertig gemasterte Audiospuren.

Dritte Lektion: Höre dem MC zu! Klar, kurz nach zwölf in einer heißen Samstagnacht, die schon mit einigen Getränken eingeleitet wurde, lässt es sich vor einer Bühne leichter auf Beats statt auf Worte hören. Aber genau das fordert und fördert KRS-One immer wieder. „Do you know what this song is about?“ Wenn nur die Heads im Pulk vor der Bühne seine Sätze vervollständigen können, wird der Beat runtergedreht und eine kleine Lektion eingebaut. „This is a historical night!“ Immer auf Augenhöhe, nie belehrend. Und man will sich dem groß gewachsenen Mann, der mit so viel Energie performt auch gar nicht entziehen.

Vierte Lektion: Lass das Tier in Dir heraus. „This is raw shit!“ Und der braucht eine bestimmte Attitüde. Die konsequente Fortentwicklung von Lektion 2: Wenn Du erst einmal die Fesseln der Konsumgesellschaft zart abgestreift hast, darfst Du gleich noch die Zurichtungen der Zivilisierung angehen. „Release your inner animal!“ Fordert KRS-One auf. Wir seien schließlich in Deutschland, er wolle ein paar Homo Heidelbergensis und ein paar Homo Neanderthalensis sehen, sagt er lachend. Er macht es mal vor und holt ein grollendes „Roooooowwwwwr“ heraus. Ohne Mic und Anlage klingt die Erwiderung eher so wie der Nachwuchs vom frisch freigelassenen Biest. Aber das ist okay, der Samen ist gesät.



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